Gedanken zu Robert Schumann’s Carnaval op.9
Als ich dieses Werk zum ersten Mal hörte war es mir, als ob ich plötzlich selbst in einem musikalischen Salon zu Zeiten Schumanns zu Gast wäre und die vielen großen Künstler der Zeit heimlich beobachtete, wie sie zusammen musizierten, lachten, tanzten, Späße trieben, euphorisch von ihren weltverändernden Zukunftsträumen erzählten oder, in dem ein oder anderen Samtsessel versunken, melancholisch in ihren romantischen Sehnsüchten schwelgten. Sofort darin verliebt kaufte ich mir am nächsten Tag die Noten und schwang mich selbst in dieses Wunschfest Schumanns – ein Ball, auf dem er in verschiedene, seinen Gästen selbst nachempfundene Masken schlüpft und uns damit seinen genialen Einblick auf diese gewährt. Ganz besonders berührend sind für mich z.B. der rührige Pierrot, der wiederum wohl selbst eine Maske aufgesetzter Freude trägt, betrachtet man die schwarze Träne auf seiner Wange; die beiden sich ergänzenden Seelen Eusebius und Florestan die in Schumanns Brust schlagen, der dazwischen eingestreute Melancholiewalzer Valse noble, fliegende Träume etwa in den Papillons, die dramatische, sehnsuchtsvolle Ode an Clara (Chiarina) angebunden an eine aufwühlende, tiefe Verbeugung vor Chopin; oder die sich selbstöffnende Tür zur Erinnerung Reconnaissance, der Streifzug durch Paganini“s Virtuosenkunst und das kleine Schlussgebet Aveu vor dem großen Triumphmarsch der Davidsbündler gegen die eingestaubten, mürrischen, kleinkarierten und spießigen Philister. Und am Ende fassen wir, die Charaktere Schumanns Fiktionsfestes und ich uns an die Hände und verbeugen uns vor ihm, diesem großen Geist.